Die Tatsache, dass es im Medizinstudium eine Prüfung über
Naturheilverfahren gibt, überrascht und verwundert viele. Ist sowas nicht ein
Blödsinn? Wie können Sachen, die nicht wirklich wissenschaftlich bewiesen sind, an
der Uni unterrichtet und sogar geprüft werden?
Die meisten Medizinstudenten selbst sind, was Komplementärmedizin angeht,
sehr skeptisch und machen sich oft lustig über die Behauptungen, dass natürlche
Heilmittel manchmal sogar eine bessere Symptomlinderung als die „tollen“
Medikamente der modernen schulischen Medizin liefern können. Allerdings, wenn
man krank ist und die konventionellen Arzneimittel bisher nicht geholfen haben,
spricht nichts dagegen alternative Möglichkeiten zu suchen. Dabei muss man
natürlich beachten, dass diese dem Körper keine zusätzlichen Schaden anrichten.
In der Regel können aber Naturheilverfahren nur geringe Nebenwirkungen und
Risiken haben und zwar sehr selten. Einige Behandlungen sind durchaus
evidenzbasiert und damit wissenschaftlich anerkannt.
Was versteht man unter Naturheilverfahren? Es gibt keine einnheitliche und
allgemeingültige Definition, aber die beiden wichtigsten sind: „Therapien, die
aus der Natur stammen, wie beispielsweise Wärme, Kälte, Pflanzenzubereitungen
u. a. (»Naturheilmittel« )“ und/oder solche, „die im Körper natürliche
Reaktionen auslösen oder fördern, die ihrerseits Krankheiten heilen oder
Krankheitssymptome lindern können (»natürliche Therapie«)“ (Gutenbrunner,
Glaesener: „Rehabilitation, physikalische Medizin und Naturheilverfahren“, S.
220, Springer Verlag).
Die fünf Säulen der klassischen Naturheilverfahren, die dem Therapiekonzept
nach Kneipp entsprechen, sind:
1) Hydrotherapie: Anwendung von (Heil-, Mineral-)wasser
2) Diätetik: Unterstützung der Behandlung durch gesunde Ernährung
3) Phytotherapie: Einsatz von Pflanzenwirkstoffen
4) Bewegungstherapie
5) Ordnungstherapie: einhalten von gesunfheitsfördernen
Verhaltens- und Lebensweisen
Das Heilwasser hat einen Arzneimittelstatus und unterliegt dem
Arzneimittelgesetz. Aus diesem Grund muss das Etikett Information über ihr
Zusamensetzung (z.B. Mineralisation), Indikation, Kontraindikation und
Nebenwirkungen enthalten. Heilwasser
wird bei Störungen in den Bereichen: Magen-Darm-Trakt, Niere und Harntrakt,
Stoffwechsel und Minterallstoffmangel angewendet. Die Balneo-Photo-Therapie mit
Minerallwasser wird bei Psoriasis (entzündliche Hautkrankheit) sogar von den
gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, da sie im Vergleich zur trockenen
UV- Therapie 4,5-mal wirksamer ist.
Die Hydrotherapie ist ein anerkanntes Verfahren der physikalischen Therapie
und der klassischen Naturheilverfahren, das Wasseranwendung in jedem
Aggregatzustand beinhaltet. Dazu gehören
Güsse, Kompressen/Wickel, Bäder und Inhalation. Wichtigste Prinzipien der
Hydrotherapie:
1) Wärme:
a. Wirkung: Muskelentspannung,
Schmerzlinderung, Durchblutungssteigerung und Verdauungsförderung
b.
Kontraindikationen
(Gegenanzeigen): akute entzündliche Prozesse, Kreislaufprobleme
Vorsicht:
Kreislaufbelastung bei großflächiger langer Wärmeanwendung (Vollbäder,
Ganzkörperwickel, Sauna)
2) Kälte:
a. Wirkung: Schmerzlinderung,
Abschwellung, Entzündungshemmung, Blutungsstillung
b.
Kontraindikationen: arterielle
Durchblutungsstörungen, Kreislaufinsuffizienz
Vorsicht:
Kreislaufbelastung/Erfrierungsgefahr bei großflächiger langer Kälteanwendung
Anwendungen:
·
warmes
Armbad bei Einschlafproblemen: 15
Minuten lang beide Arme in warmes Wasser (35-38°C) tauchen und danach
abtrocknen
·
kaltes
Armbad zur Erhöhung der Konzentration (z.B.
beim Lernen): Arme kurz (10 sec.) ind kaltes Wasser (20-25°) halten, mit
rauem Tuch trocken reiben
·
Wechselbäder/-güsse
bei Krampfadern: Wechsel von kaltem und warmem Wasser kurbelt das Immunsystem an und trainiert das
Gefäßsystem
·
Aufsteigendes
Armbad nach Hauffe bei Durchblutungsstörung
der Füße, Gelenkerkrankungen: im Sitzen beide Arme in 35°C warmes Wasser
legen, allmähliches Zugießen von heißem Wasser in 2-3 min. Abständen bis 41°C
erreicht werden. Dauer: 15-20 Min. Wichtig: abschließend kalter Abguss
Kontraindikation: Lymphödem des Armes, akute Gelenkentzündung
Vorsicht: der Blutdruck kann sehr schnell sinken, deshalb bei
plötzlich auftretendem Schweißausbruch, sofort die Anwendung abbrechen!
Die durchblutungsfördernde, entspannende und entkrampfende Wirkung der
Thermotherapie ist jedem bekannt, deshalb greifen viele bei Bauchschmerzen (u.a.
Menstruationsbeschwerden) und Muskelverspannungen sofort zu Körnerkissen oder Moorkompressen. Dabei muss man
aber beachten, dass bei Entzündung die Wärme streng
kontraindiziert ist! Also nicht bei jedem Schmerz, vor allem wenn die
Ursache unbekannt ist, automatisch die Wärmeflasche auf den Bauch legen.
Weiterhin kann man bei Gelenkschmerzen, Verstauchungen und Prellungen kalten Quark oder Kohlwickel für ca. 20
Minuten anwenden. Für akuten Ohrenschmerzen wegen Ohrenentzündung oder bei Nasennebenhöhlenentzündung können warme
Zwiebelsäckchen helfen. Zweiebeln enthalten den Wirkstoff Isoallicin (im
Knoblauch: Allicin), der in vitro antibakteriell, antiviral, fungizid und
entzündungshemmend wirkt.
Die wichtigsten Regeln sind:
1. Eine Stunde vor/nach Mahlzeit keine Wasseranwendung
2. Kälte nur am warmen Körper anwenden (d.h. Fieber, aber
kalte Füße: keine kalte Kompresse!).
3. Je kälter das Wasser, umso kürzer die Anwendung.
4. Entzündliche Prozesse kalt, chronische Prozesse warm
behandeln.
Wissenschaftliche Evidenz
Wie bereits erwähnt gibt es für die Wirkung von einigen alternativen Therapieverfahren
wissenschaftliche Hinweise. Zum Beispiel wurden signifikant positive Effekte
von Yoga auf Epilepsie, Prämenstruelles Syndrom, Depression, Schlafstörungen
und chronische Lumbalschmerzen in mehreren Studien nachgeweisen. Weiterhin hat
man gesehen, dass Phytotherapie mit mehr als fünf Tassen grünes Tee am Tag den
Cholesterinspiegel im Blut signifikant senken und sich sehr positiv auf den
Verlauf des Prostatakarzinoms auswirken. Wie vielen bekannt, können bei
grippalen Infekten Dampf- Inhalationen mit Meeressalz oder Kamille helfen.
Im nächsten Teil erwarten euch mehr interessante Informationen über pflanzliche
Arzneimittel und ihre Anwendung.
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