Montag, 25. Januar 2016

30 Jahre Tschernobyl



Am 26. April 1986 kam es in der Ukraine zum Super-GAU: durch schwere Verstöße gegen die Sicherheitsbedingungen kam es im Atomkraftwerk von Tschernobyl zur Explosion eines Reaktors und damit zur Freisetzung großer Mengen radioaktiver Stoffe in die Erdatmosphäre.
Die Folgen waren verheerend. Die Gegend wurde unbewohnbar, Angestellte und Helfer verstarben an der Strahlenkrankheit, die Zahlen an Schilddrüsenkrebserkrankungen stieg… die Liste kann man noch lange fortsetzen. Doch auch wenn der Schreck nach einer Weile nachließ, das Ereignis darf nicht vergessen werden. Unsere Generation, die damals noch gar nicht auf der Welt war, ist sich dessen wahrscheinlich am wenigsten bewusst – so ging es zumindest mir, bis mein Vater, der Jäger ist, vor kurzem sein erstes Wildschwein geschossen hat.
Jäger sind in Bayern gesetzlich dazu verpflichtet, geschossene Wildschweine auf Radioaktivität untersuchen zu lassen – zu Recht, wie mein Vater erfahren durfte. Der gemessene Wert seiner Beute betrug über 5000 Becquerel pro Kilogramm Fleisch. Der zugelassene Grenzwert für Lebensmittel beträgt 500 Becquerel, die Belastung „unseres“ Wildschweins war also um das zehnfache höher.
Wieso aber sind Wildschweine (gerade in Bayern) so verstrahlt? Auch wenn weit über tausendfünfhundert Kilometer zwischen Tschernobyl und München liegen, der radioaktive Niederschlag ergoss sich auch über Deutschland, durch die Wetterlage insbesondere im Süden. Dadurch wurden die Böden durch radioaktives Cäsium (137Cs) verseucht. Dieses hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren, was bedeutet, dass seit der Katastrophe die Hälfte des Cäsiums zerfallen ist – in weiteren 30 Jahren werden immer noch 25% vorhanden sein. Durch die Bodenbelastung gelangt das strahlende Material in Waldbeeren und Pilze, und über die Pilze als Nahrung in den Körper der Wildschweine. Kein seltener Vorgang, wie man vielleicht annehmen könnte  – etwa die Hälfte der in Bayern geschossenen Wildschweine überschreiten den Grenzwert und sind damit ein Fall für die Tierkörperbeseitigung.
Auch beim Verzehr gewisser Waldpilze ist Vorsicht angesagt – besonders selbst gesammelte Maronen-Röhrlinge und Semmelstoppelpilze sind belastet, da diese das radioaktive Cäsium gut speichern.
Natürlich stellen diese Belastungen von Wildfleisch und Pilzen keine akute Bedrohung für unsere Gesundheit dar, zumal Lebensmittel hier strengen Kontrollen unterliegen. Dennoch zeigt die Tatsache, dass eine starke Belastung vorliegt, was für langwierige, weitreichende und noch dazu unsichtbare Folgen das Unglück hatte und noch hat. Diese sind noch lange nicht ausgestanden, gesundheitliche Spätfolgen sind wahrscheinlich, aber schwer abzuschätzen.
Am 26. April dieses Jahr also „feiern“ wir 30 Jahre Tschernobyl und können mit Sicherheit sagen: auf viele weitere Jahrzehnte.

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