Dienstag, 2. Februar 2016

Die Schlacht um 1600 Pennsylvania Avenue – Ein Überblick über die Wahl

1600 Pennsylvania Avenue – das ist wohl eine bedeutendsten Adressen auf der Welt. Denn hier steht das Weiße Haus – Amtssitzt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Während wir Deutschen erst nächstes Jahr wieder an die Wahlurne dürfen, tobt in den Vereinigten Staaten bereits der erbitterte Kampf um den begehrten Platz im Oval Office. Das amerikanische Wahlsystem ist komplex und hat seine Eigenheiten. In der Präsidentschaftswahl 2000 zum Beispiel hatte der demokratische Kandidat Vizepräsident Al Gore ca. 51 Mio. Stimmen und der republikanische Kandidat Gouverneur George W. Bush nur ca. 50,5 Mio. Stimmen. Dennoch wurde Bush der 43. Präsident der Vereinigten Staaten. Und als wäre das nicht genug spielte der Oberste Gerichtshof auch noch eine nicht zu vernachlässigende Rolle in dieser Entscheidung. Wie also funktioniert dieses auf erstem Blick kontraintuitiv wirkende Wahlsystem?
Fangen wir bei den Grundlagen an. In den USA besteht de facto ein Zweiparteiensystem. Es gibt die Demokraten und die Republikaner. Daneben gibt es noch mehrere kleine Parteien, die jedoch auf Bundesebene und auch allgemein so gut wie keine Rolle spielen. Die politische Gesinnung der Parteien hat sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg stark verändert. So wurde die republikanische Partei mit dem Ziel der Abschaffung der Sklaverei gegründet, was unter ihrem ersten Präsidenten Abraham Lincoln in den Bürgerkrieg mündete. Heute steht die GOP (anderer Name für die Republikanische Partei; grand old party) jedoch vor allem für Konservatismus. Die Republikanische Partei ist aber vor allem auch die Partei der Industrie und der soziökonomischen Elite. Sei es durch die Leugnung des Klimawandels um jegliche Bemühungen um die Bekämpfung dessen zugunsten ihrer Geldgeber aus der Ölindustrie im Keim zu ersticken. Oder durch die Deregulierung des Finanzsektors im Namen der Trickl-Down-Economy (passenderweise auch Reaganismus genannt). Die Demokraten dagegen verkörpern die linke Seite des politischen Spektrums. Sie stehen für soziale Sicherheit, Politik für eine starke Mittelschicht und verantwortungsbewusster Umgang mit dem Planeten.
Eine dieser beiden Parteien wird also den nächsten Präsidenten stellen. Doch wie genau funktioniert dieser Prozess? Zunächst wird innerhalb einer Partei nach dem Kandidaten der Partei gesucht. Dieser Nominierungsprozess (auch Primary) beinhaltet Wahlen in allen 50 Staaten an deren Ende die beiden Präsidentschaftskandidaten feststehen. Es kandidieren zurzeit 3 Politiker um die demokratische Nominierung und 12 Kandidaten bewerben sich um die republikanische Nominierung. Auf Seite der Demokraten buhlen die ehemalige US-Außenministerin und First Lady Hillary Clinton, Senator von Vermont Bernie Sanders und ehemaliger Gouverneur von Maryland Martin O’Malley um die Gunst der Wähler. Während die Wahl von Clinton vor einem Jahr noch eindeutig schien, hat sie mittlerweile in Bernie Sanders einen respektablen Herausforderer gefunden. Während Hillary vor allem die Unterstützung des demokratischen „establishments“ (politische Führungsschicht) hinter sich hat, punktet Bernie Sanders stark in der progressiven Basis der Partei und bei Millennials. Es könnte sich also 2008 wiederholen, indem die mutmaßliche Kandidatin Clinton von einem Herausforderer von links besiegt wird (damals Barack Obama).
Fünf Demokraten starteten ins Rennen (von li. nach re.): Lincoln Chafee, Hillary Clinton, Martin O´Malley, Bernie Sanders und Jim Webb. Chafee und Webb haben ihre Kampagnen bereits beendet.
Die Republikaner starteten mit 17 Kandidaten ins Rennen. Mittlerweile sind es zwölf. Das ist ein historischer Rekord. Niemals zuvor bewarben sich so viele Republikaner um die Nominierung zum Kandidaten der republikanischen Partei. Und das Feld der Kandidaten ist so bunt wie es groß ist. Als typischer Establishment Kandidat startete der frühere Gouverneur von Florida Jeb Bush, Bruder von Georg W. Bush, ins Rennen. Aufgrund des politischen Netzwerks und der Spender-Maschinerie seines Bruders und seines Vaters (Georg H. W. Bush, 41 Präsident) wurde er schnell zum Favoriten deklariert. Ebenfalls aus den Kreisen der etablierten Politik stammt Senator von Florida Marco Rubio, der vor allem hofft, aufgrund seiner Herkunft die hispanische Wählerschaft für sich gewinnen zu können. Gouverneur von New Jersey Chris Christie und vor allem Gouverneur von Ohio John Kasich stehen für gemäßigten Stimmen innerhalb der republikanischen Partei. Früherer Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee und früherer Senator von Pennsylvania Rick Santorum entspringen dem rechts-christlichen Milieu und gelten vor allem in sozialen Fragen als Hardliner. Senator aus Kentucky Rand Paul, Sohn des ehemaligen Abgeordneten und Präsidentschaftskandidat Ron Paul, entstammt dem Camp des Libertarismus, und will folglich den Einfluss des Staates auf ein Minimum reduzieren. Einer der konservativsten Kandidaten ist Senator von Texas Ted Cruz aus der Tea-Party Fraktion des Senats. So führte den „government shutdown“ oder hielt einen 21-stündigen Filibuster gegen Obamas Gesundheitsreform während seiner Zeit im Senat. Dazu kommt eine Reihe von Kandidaten, die nicht einem politischen Hintergrund entspringen. Da wäre Ben Carson, ehemaliger ärztlicher Direktor für pädiatrische Neurochirurgie am Johns Hopkins Krankenhaus, und Carly Fiorina, ehemalige Vorstandschefin von Hewlett-Packard. Doch am bedeutendsten ist hier wohl der derzeitige Spitzenkandidat Immobilien-Mogul und Reality-TV Star Donald Trump. Seine populistische Kampagne trifft vor allem den Puls und den Unmut der republikanischen Basis. Er will eine Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen, für die Mexiko bezahlen soll. Dieses bunt gemischte Feld resultiert aus der Identitätskrise, die das Ende der Präsidentschaft von Georg W. Bush für die republikanische Partei bedeutete. Diese Krise ist wohl Grund für das politischen Schisma der Republikaner, das für die Handlungsunfähigkeit der Partei und wohl auch für den überraschenden Rücktritt des Sprechers des Repräsentantenhauses John Boehner Ende letzten Jahres verantwortlich ist.
Eine volle Bühne bei der ersten republikanischen Debatte. Es durften nur die zehn Kandidaten, die die höchsten nationalen Umfragewerte hatten bei der Prime-Time Debatte mitmachen. Die sieben verbleibenden Kandidaten mussten an den "kids table." Die Entscheidung von Fox News, die Zahl auf zehn zu begrenzen wurde damals heftig kritisiert, zumal nationale Umfragewerte so früh vor der Wahl vollkommen unbedeutend sind. Dennoch wurde diese Praktik im weiteren Verlauf auch von den anderen Fernsehsendern übernommen.
Wie geht es nun weiter, wenn die Kandidaten der jeweiligen Parteien feststehen. Die Wahl findet am 8.November 2016 statt. Wahltag ist seit 1845 der Dienstag nach dem ersten Montag im November. Der November wurde ausgesucht, da zu Zeitpunkt die Ernte bereits eingeholt war und die Bauern somit Zeit zum Wählen hatten. Der Sonntag kam wegen des damals üblichen Kirchbesuchs nicht infrage. Auch der Montag fiel somit raus, da damals längere Anreisen (die am Sonntag begonnen) nicht unüblich waren. Samstag war Markttag vielerorts, der am Freitag vorbereitet wurde. Und Donnerstag ist der Tag, an dem die damals von vielen ungeliebten Briten ihr Parlament wählten. Also blieb Mittwoch oder Dienstag übrig. An diesem Tag werden jedoch nur die Wahlmänner des Electoral College (Wahlmännerkollegium) bestimmt. Die eigentliche Wahl erfolgt 41 Tage später am 18. Dezember. Die Wahl ist also indirekt. Jeder Staat hat eine feste Anzahl von Wahlmännern, die sich nach der Anzahl der Kongressabgeordneten richtet. Jeder Bundesstaat besitzt zwei Senatoren und eine von der Einwohnerzahl abhängige Zahl von Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Texas zum Beispiel hat 36 Abgeordnete. Zusammen mit den zwei Senatoren ergibt dies eine Zahl von 38 Wahlmännern im Electoral College. Jeder Staat hat also mindestens 3 Wahlmänner. Mit 55 hat Kalifornien die meisten Wahlmänner. Der Bundesdistrikt (also Washington D.C) hat keine wahlberechtigte Repräsentation im amerikanischen Kongress. Er darf maximal so viele Wahlmänner entsenden wie der bevölkerungsärmste Staat. Die Zahl der 538 Wahlmänner setzt sich also aus der Zahl von 435 Abgeordneten, 100 Senatoren und 3 Wahlmännern aus dem Bundesdistrikt zusammen.
41 Tage nach der Wahl treffen sich die Wahlmänner in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Bundesstaaten. In allen Staaten außer Maine und Nebraska gilt dabei das Mehrheitswahlrecht. Das heißt, der Kandidat, der in diesen Staaten die meisten Stimmen erhält, bekommt alle Wahlmänner aus diesem Staat. Der Verlierer geht leer aus. In Maine und Nebraska können die Stimmen auch geteilt werden. In 24 Staaten sind die Wahlmänner frei in ihrer Entscheidung, das heißt sie können auch gegen den Wählerwunsch abstimmen. Die Stimmzettel werden versiegelt und an den Präsidenten des Senats übersendet. Dieses Amt wird, der Verfassung entsprechend, vom Vizepräsident der Vereinigten Staaten bekleidet, derzeit also Joe Biden. Am ersten Sitzungstag des neuen US-Kongress (der auch im November gewählt wurde) am 3. Januar werden die Stimmen in Anwesenheit beider Kammern ausgezählt. Für die Wahl zum Präsidenten ist die absolute Mehrheit von mindestens 270 Stimmen notwendig. Gelingt es keinem Kandidaten die absolute Mehrheit zu bekommen, so muss das Repräsentantenhaus den Präsidenten wählen. Dabei stimmen die Delegation aus den verschiedenen Staaten zusammen ab und jeder Staat erhält eine Stimme. Es müssen also 26 Staaten für denselben Kandidaten stimmen. Der Fall, dass der Kongress den Präsidenten wählen muss, ist mittlerweile zweimal eingetreten.
Aufgrund des Wahlmännerkollegiums ist es möglich, dass bei bestimmten Stimmkonstellationen mehr Leute für den einen Kandidaten abstimmen, aber der andere Kandidat mehr Wahlmänner erhält, wie zuletzt 2000 der Fall. Und darin liegt auch einer der Hauptkritikpunkte des Electoral College. Außerdem führt die Aufteilung der Bevölkerung eines Staates auf eine gewisse Anzahl von Wahlmännern dazu, dass nicht jede abgegebene Stimme gleich viel wert ist. So repräsentieren die 3 Wahlmänner von Wyoming je 187.875 Einwohner wohingegen die 55 Wahlmänner von Kalifornien je 677.345 Einwohner repräsentieren. Durch das Mehrheitswahlrecht und das Layout der Wahlbezirke gewinnt in vielen Staaten immer dieselbe Partei. Das führt dazu, dass die Kandidaten ihren Wahlkampf verstärkt in die sog. „Swing States“ verlagern. Das sind Staaten, bei denen sich der Wahlerfolg einer Partei nicht so leicht vorhersagen lässt. Diese hart umkämpften Staaten, wie Ohio oder Florida, haben daher eine besondere Bedeutung für die Kandidaten, sodass ihre Anliegen oft bevorzugt von den Kandidaten für den Wahlkampf aufgegriffen werden, wohingegen traditionell republikanisch oder demokratische Staaten in der Wahlkampfpriorität wesentlich unwichtiger sind.

Wie geht es nun weiter? Am 1. Februar beginnen die Vorwahlen mit den Iowa Caucuses, gefolgt von den New Hampshire Vorwahlen am 9. Februar. Diesen beiden Vorwahlen kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie die erste Probe für die Kandidaten darstellen. Nach diesen Wahlen wird sich auch das überfüllte Feld, vor allem bei den Republikanern lichten. Und es wird sich auch zeigen, ob sich der Albtraum von 2008 für Hillary Clinton wiederholen könnte und ob Donald Trump tatsächlich eine Chance auf das höchste Amt im Land hat oder ob seine Erfolg in den Umfragen nur Schall und Rauch war.

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