Montag, 8. Februar 2016

Interview mit einer Sozialarbeiterin

Seit einigen Tagen versuche ich ein Interview mit einer Sozialarbeiterin in einem Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu organisieren. Nun endlich ist es mir gelungen. B. arbeitet in einem Heim in der Umgebung von Heidelberg. Da sie aber eigentlich recht scheu ist, haben wir uns darauf geeinigt,dass ich nicht zu genauere Details nenne. 

F: B., stell dich bitte kurz vor.
B: Ich habe 2013 meine Ausbildung als Jugendheimerzieherin absolviert und seit Juli 2014 arbeite ich mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, also Jugendlichen, die ohne Eltern nach Deutschland geflüchtet sind. Ich arbeite als Betreuerin. Meine Tätigkeiten sind, dass ich mich um ihre Schule kümmere, ich begleite sie zu Arztbesuchen, führe die Erstgespräche und bin immer Ansprechpartner für die Jugendlichen.

F: Woher kommen die Jugendlichen und wie alt sind sie?
B: Mehrheitlich aus Syrien und Afghanistan, eine zeitlang kamen auch viele Gambia, Nigeria, Bangladesch und Indien. Es gibt viele verschiedene Nationalitäten. Der Jüngste zur Zeit ist 13, der Älteste ist gerade 18 geworden. Älter als 18 dürfen die Jugendlichen bei uns nicht sein.

F: Was haben die Jugendlichen erlebt?
B: Alle Jugendliche haben eine Reise durch 7 bis 8  Länder hinter sich. Sie mussten weite Strecken auf ihrer Flucht laufen, oder sehr hohe Summen an Schleuser zahlen. Manche haben Eltern in der Heimat, die sehr krank sind und hoffen, dass sie ihre Eltern nach Deutschland bringen können. Manche kommen aus politischen Gründen nach Deutschland und wollen daher auch nicht mehr in die Heimat zurück. Manche hoffen, dass sie ihre Eltern in der Heimat unterstützen können.

F: Gibt es einen Fall, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
B: Ja, es gab einen Jugendlichen, der mit seinen Eltern auf der Flucht war. Sie haben es bis in die Türkei geschafft, dort wurden sie aber von Sicherheitsleuten irgendwie getrennt. Er hat jetzt keinen
Kontakt mehr und sucht sie. Der DRK hat auch eine Suchaktion gestartet. Er hofft, dass sie auch inzwischen in Deutschland sind, es könnte aber auch sein, dass sie immer noch in der Türkei sind.

F: Gibt es Konflikte im Heim und wenn ja, was für Konflikte sind es?
B: Ich bin der Meinung, dass es oft politische Konflikte sind. Also im Sinne von: Du bist Afghane, ich bin Syrer und politisch sind wir verfeindet. Natürlich kann ich es nicht nachvollziehen, weil sie eigentlich alle die gleichen Probleme haben. Das größte Problem ist vermutlich die Sprachbarriere, vielmehr als es ein Religionsproblem ist. Weil sie sich nicht gegenseitig verstehen, sprechen sie weniger miteinander, und so entstehen Konflikte. Die gleiche Religion ist daher keine Garantie für eine gute Verständigung. Wenn sich die Jugendlichen untereinander verstehen, funktioniert es gleich besser. Wegen Missverständnissen, kann es andererseits auch zu Schlägereien kommen.

F: Vertragen sich die Jugendlichen danach oder wie wird ein solcher Streit danach beigelegt?
B:Es gibt danach ein Krisengespräch,  Dolmetscher werden da hinzugezogen. Es wird ihnen dabei klargemacht, dass sie sich an die Regeln im Heim halten müssen. In einem Heim mit so vielen Menschen, geht es nicht ohne Regeln. Das ist auch allgemein ein sehr großes Problem. Viele Jugendlichen tun sich schwer, die Regeln hier in Deutschland zu akzeptieren. Ich kann das auch irgendwie verstehen, weil die meisten aus Ländern kommen, in der sie nicht solchen Regeln ausgesetzt werden. In den anderen Ländern, durch die sie geflüchtet sind, wurden sie oft sich selbst überlassen und mussten sich an nichts halten. In Deutschland sind die Regeln nun mal sehr streng, besonders für Jugendliche. Das Jugendheim will nun mal die Jugendlichen schützen.

F: Welche Regeln ist besonders schwer für sie zu akzeptieren?
B: Zum Beispiel, das Gewalt absolut verboten ist. Oder Ausgangszeiten. Viele sagen, dass sie doch machen könnten, was sie wollen und dass sich niemand da einmischen kann. Oder die Regeln fürs Miteinander, also dass man zum Beispiel nach einer bestimmten Uhrzeit die Nachtruhe einhält. Solche Sachen muss man ihnen immer wieder klarmachen.

F: Wie stehen die Jugendlichen zur Schule?
B: Sehr unterschiedlich. Einige sind mit dem Unterricht nicht zufrieden. Sie wollen mehr Deutschunterricht, und mehr normale Schulausbildung. Das geht aber nicht, weil die Schulklassen zu groß sind und können daher nicht intensiv betreut werden. Andere wiederum waren noch nie in der Schule und können nun nicht verstehen, warum sie morgens um 6 aufstehen müssen, um sich für die Schule bereit zu machen. Vor allem die afghanischen Jungs haben leider oft Schwierigkeiten zu verstehen, dass sie Deutsch lernen müssen, auch um hier in Deutschland bleiben zu können. Die meisten haben aber eigentlich den Wunsch nach einer guten Ausbildung. Die meisten haben ja in ihrer Heimat die Schule bis zur 11. oder 12. Klasse besucht und können mehr Sprachen als ich.

F: Verstehen die meisten grundsätzlich, wie wichtig die deutsche Sprache hier ist?
B: Ich denke, wenn eine gute Betreuung möglich wäre, würden die meisten es verstehen. Aber aktuell gibt es sehr viel Frustration was die Schulausbildung angeht unter den Jugendlichen.

F: Kann man als Außenstehender irgendwie helfen?
B: Ja kann man. Zum Beispiel mit Patenschaften. Man kann eine Patenschaft mit einem Jugendlichen starten und sich einmal in der Woche, oder alle zwei Wochen mit ihm treffen. Mit einer Art Sprachtandem könnte man den Jugendlichen helfen. Man könnte auch den Jugendlichen die Stadt zeigen, also was man alles in Mannheim oder Heidelberg machen kann. Man kann auch als Verein ein Hilfsprojekt starten, wie zum Beispiel Kochabende mit den Jugendlichen oder solche Lernstunden. Und ich bin dabei der Meinung, die ehrenamtlichen Helfer fungieren hier als gute Vorbilder für die Jugendlichen.

F: Wie müsste ich vorgehen, wenn ich ein Sprachtandem starten möchte?
B: Man findet die Kontaktdaten zu den Einrichtungen aus dem Internet. Dann kann man einfach in der Einrichtung anrufen und fragen, ob es da eine solche Möglichkeit gibt. Die meisten Einrichtungen sind froh, wenn man solche Anfragen bekommt, weil eine intensive Betreuung der Jugendlichen von den Sozialarbeitern in der Einrichtung einfach nicht möglich ist. Man kann sich erstmal in der Einrichtung umschauen und kann sich dann aussuchen, mit welchem Jugendlichen man zusammen arbeiten möchte. Und man könnte sich dann vielleicht einmal in der Woche in der Einrichtung oder in der Bücherei treffen.

F:Was passiert mit den Jugendlichen, wenn sie 18 Jahre alt sind?
B: Man schaut einfach, ob da noch ein Hilfsbedarf besteht, wie auch bei anderen deutschen Jugendlichen. Man versucht ihnen eine Ausbildungsstelle und Sprachkurse zu organisieren. Falls Hilfsbedarf besteht, dann kann es bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden. Man schaut da schon ziemlich genau, inwiefern Hilfsbedarf besteht.

F: Ihr seid ja eine Notaufnahme. Wie lange sind die Jugendlichen in der Regel bei euch?
B: Normalerweise sollten sie nicht länger als 3 Monate bei uns bleiben. Die Jugendhilfeeinrichtungen sind im Moment eigentlich auch alle voll. Seit dem November gibt es auch ein neues Gesetz. Die Jugendlichen, die nach dem 1.November zu uns gekommen sind, werden umverteilt. Die, die vorher gekommen sind, werden sie an die Anschlussmaßnahmen verlegt, in der Hoffnung, dass sie dann dort besser betreut werden.

F: Willst du vielleicht ein Schlusswort sagen?

B: Ich bin der Meinung, dass jeder helfen kann.

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